Hypnotische Jazz-Grooves der allerfeinsten Güte

Das 26. „INNtöne-Jazzfestival“ am Bauernhof von Paul Zauner in Diersbach bei Schärding begeisterte mit Stars wie John Abercrombie

Wirft man einen Blick auf das Line-Up vieler Jazzfestivals, drängt sich oft die Frage auf, was Rockgrößen mit Jazz zu tun haben. Anders bei den vom Innviertler Jazztrompeter Paul Zauner (51) großartig kuratierten „INNtönen“, einem hochkarätigen Festival, das die Bezeichnung Jazz auch verdient.

Zauner verlässt bei seiner Musikauswahl ausgetretene Pfade, kombiniert verschiedene Genres, Kulturen und Epochen — stets aufs Neue ein Balanceakt, der aber mittlerweile selbst in internationalen Jazz-Kreisen höchste Anerkennung findet. Und nicht nur dort: 70 Radiostationen weltweit (in den USA, Kanada, Japan, Europa ...) übertragen Jazz aus Zauners abgelegenem Bio-Bauernhof.

US-Tenorsaxofonist Lenny Popkin: „Bei der Scheune musste ich an die Carnegie Hall denken. Die exzellente Akustik ist wie geschaffen für eine auf klangliche und dynamische Extreme verzichtende Ästhetik.“

Musiker aus aller Welt in Diersbach

Auch heuer wurden weder Mühen noch Kosten gescheut, um Musiker aus aller Welt zu holen. Das Programm ließ sowohl dem Gelegenheits-Jazzfreund als auch dem fortgeschrittenen Fan das Wasser im Mund (oder besser in den Ohren) zusammenlaufen.

Schon der Opener am Freitag begann mit einer Legende: US-Gitarrist John Abercrombie, der mit dem famosen Oud-Virtuosen Joseph Tawadros auftrat. Auf seinem Instrument, einer Laute, gelang es Tawadros, ägyptische Tradition nahtlos mit zeitgenössischem Jazz zu verbinden. Abercrombie seinerseits brachte mit seinem filigranen, aber dennoch packenden Gitarrenspiel wunderschöne Jazz-Akzente in den orientalischen Sound ein und harmonierte in einigen Duo-Passagen wunderbar mit der Oud-Laute.

Ein weiterer Höhepunkt: US-Saxofonist Carlos Garnett, ebenfalls eine legendäre Gestalt. Freddie Hubbard, Art Blakey, Charles Mingus oder Miles Davis hießen die Stationen seiner Karriere.

Es folgte am Samstag Melba Joyce mit ihremQuartett, eine großartige Sängerin der alten Schule, die ihre Songs auch hier lebte und Standards zu interpretieren wusste, wie kaum eine andere. Ihre Stimme war geprägt von Klarheit, voller Klangfarbe und reiner Intonation.

Hypnotische Jazz-Grooves der allerfeinsten Güte kamen dann von einem der besten Saxofonisten seit John Coltrane: das Azar Lawrence Quartet brachte das ausverkaufte Haus oder besser den „Stadl“ zum Kochen. Am Sonntag „geigte“ dann im Rahmen der neuen Festival-Linie „Jazz Standards Heritage Club“ das Larry Smith Quartett mit Kirk Lightsey am Piano und dem US-LinzerDoug Hammond an den Drums.

Das Programm war aber nicht nur mit derlei Legenden gespickt. Man konnte auch echte Entdeckungen machen. Eine war das portugiesische Projecto Mino unter Leitung des Kontrabassisten Baldo Martinez. Das neunköpfige Ensemble zeichnete akustisch den Verlauf des Grenzflusses Mino zwischen Galicien und Portugal nach. Das Ergebnis: eine Mischung aus grenzübergreifendem europäischen Jazz und keltischer Musik auf traditionellen Instrumenten. Großartig!

„Jazz ist Freiheit!“

Eines der spannendsten heimischen Ensembles war Studio DAN. Ein Klangkörper des Kreativpools Jazzwerkstatt Wien, der überzeugend bewies, dass Professionalität nicht in Mainstream-Ödnis münden muss.

Wie definiert Paul Zauner gleich Jazz? „Jazz ist Freiheit“. Die war am Bauernhof musikalisch und auch sonst drei Tage lang gegeben.

Von Josef Gebetsroither, 14.6.2011

Artikel auch online unter:
http://www.volksblatt.at/index.php?id=75693&MP=61-9399