Inntöne 2011

Nein, Pfingsten und Weihnachten können nicht zusammenfallen. Für das Jazzpublikum in Südostbayern und Oberösterreich – und mittlerweile auch weit darüber hinaus – gibt es da aber einmal im Jahr eine Ausnahme: Beim Inntoene-Festival auf Paul Zauners Bauernhof in der Froschau kommt regelmäßig augenstrahlende Christbaumstimmung auf, wenn auf der Bühne musikalische Überraschungen aus der ganzen Welt ausgepackt werden.

Erbstücke mit ausgesprochen reizvoller Patina sind heuer darunter: So rücken Zauner und Team still gewordene amerikanische Größen wieder ins rechte Scheinwerferlicht wie die Sax-Schwergewichte Carlos Garnett (72) und Larry Smith (68), den überragenden Piano-Poeten Kirk Lightsey (74) und den Gitarren-Großmeister John Abercrombie (66). Miss Melba Joyce (Alter wird nicht verraten) gibt sich im hausgemachten „Jazz Standards Heritage Club“ die Ehre und der guten alten Harlem-Gesangskultur den Glanz zurück, den sie verdient. Und weil’s so schön ist, lässt sie die Herren alle mitmachen. Schwelgen erlaubt.

Auch Modern und Fusion stecken reichlich im Geschenkesack. Wie immer an Weihnachten passt und gefällt daran nicht alles – aber alleine die Bandbreite ist eine Schau für sich: Ägyptische Oud-Tradition und amerikanischer Post-Bop (Joseph Tawadros Quartet), barocke Weisen in moderner Präsentation (Ars Antiqua Austria), spanische Foklore verpackt in groovig-mystische Sets (Baldo Martinez Projeto Miño), sinfonisch-chaotische Orchesterexperimente zwischen Kultklang und Kakofonie (Studio DAN)… In dieser Scheune kann alles passieren, und genau dafür wird sie geliebt: Trotz Regen volles Haus an allen drei Tagen.

Die schönste Bescherung? Die gab’s am Samstagabend von Azar Lawrence: Mit breitem Lächeln und umwerfender Präsenz breitet der Coltrane-Wiedergänger aus L.A. seine Raum und Herz ergreifende Saxofonlyrik aus, entwickelt mit seinen nicht minder beeindruckenden Mitspielern ein virtuoses Zuspiel von kolossaler Klanggewalt, die im Publikum ein Stimmungsfeuerwerk nach dem anderen zündet. Wo zuvor Nicken und Schnippen war, ist jetzt Tanzen und Kopfrocken; wo vorher Jubel war, bricht nun das pure Freudengeheul los. Eigentlich fast noch schöner als Weihnachten.

Katrina Jordan | jordantext

Artikel auch online unter:
http://www.passau-live.de/pa_galerie.php?passau=0_1082