Wo sich Jazzfans als polygame Wesen outen

Inntöne - Warum das Festival anderen in nichts nachsteht und sie zum Teil sogar übertrifft

Urig, das Ambiente. Diersbach im Sauwald ist ein Winkerl mit Charme mitten im Nirgendwo. In der Froschau am Ende einer Sackgasse. Rundum grüne Wiesen und glückliche Hühner. Und mittendrin eine Scheune als Konzertsaal. Viele Klangfarben und Kulinarisches: gegrillte Bio-Würste und Speck von Freilandschweinen, Innviertler Forellen und erlesene Weine.
Bunte Vielfalt. Musik in alle Richtungen hat Tradition im Innviertel. "Jazz am Bauernhof", heißt's beim Inntöne-Festival zu Pfingsten. Auch wenn dann nicht alles Jazz ist, was auf die Bühne kommt. Egal. "Jazz ist eine Herzensangelegenheit", sagt Veranstalter Paul Zauner und kreiert bei der Ansage von Ars Antiqua Austria ein neues Genre: "Polygame Musik."
Das Ensemble rund um Gunar Letzbor, das hier schon vor zwei Jahren umjubelt war, steuerte folkloristische Klangfarbentupfer mit einem Instrumentarium der alten Musik u. a. aus Ungarn, Böhmen, Mähren und der Slowakei bei.
Ein Mann lebt seinen Traum. Paul Zauner hat die Qualität von einem Trüffelschwein beim Aufspüren von "Musikern, die in Europa, obwohl absolute Spitzenklasse, kaum zu hören sind", aber auch beim Wieder-Entdecken fast vergessener Kapazunder aus längst vergangenen Zeiten.

Wiederentdeckt

Carlos Garnett war Anfang der 70er-Jahre bei Miles Davis, fast vergessen und jetzt bei Inntöne wieder zu entdecken.Carlos Garnett hatte so ein Schicksal wie die Oldies des Buena Vista Social Clubs: Einst top - immerhin hat der heute 72-jährige Saxofonist Anfang der 70er-Jahre u. a. vier Miles-Davis-Alben mitgeprägt - und nun schon lange nicht mehr im Spotlight. Zu Unrecht, wie sein fulminanter Auftritt in Oberösterreich bewies. Da brennt das Feuer noch, da wird an John Coltrane erinnert mit der schönen Ballade "Soul Eyes".

East meets West hieß es ganz am Anfang, als der ägyptisch-australische Oud-Virtuose Joseph Tawadros auf die Gitarristenlegende John Abercrombie traf. Als die arabische Kurzhalslaute Orientalisches in den Sound mischte. Als Drew Gress am Kontrabass und der jüngere Bruder James Tawadros an Drums und Percussion über alles einen dichten und doch luftigen Rhythmus-Teppich legten. Ehe sie ins "St. Pig's Pub" Bier trinken gingen.

Offen gesagt: Die Inntöne haben nicht weniger Besucher als etwa Saalfelden, aber geringere Ticketpreise und wesentlich mehr Charme, seit die Pinzgauer ihren Gemeindesaal mit Jazz bespielen.

Artikel vom 12.06.2011 09:00| KURIER | Werner Rosenberger

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